Das Heidebrünnl

Die Geschichte des Heidebrünnl in einem Artikel in "Mein Heimatbote" von Karl Danninger vom März 1948

Das Heidebrünnl

Von K. Danninger, M.-Schönberg.


Zu Anfang des 14. Jahrhunderts lebte im Dorfe Reutenhau ein Revierjäger namens Franz Niewall, der in gräfl. Zierotins'schem Dienst stand. Dieser ging eines Tages, wie es der Beruf mit sich brachte, auf die Jagd, wo er auf einen Hirschen stieß, den er bis zur Stelle, wo das heutige Kirch­ lein steht, verfolgte, und dort ihm glückte, ihn zu erlegen. Die Sage erzählt: Franz Niewall habe den geschossenen Hirschen, um ihn zweckmäßiger ausweiden zu kön­ nen, unterhalb der dort befindlichen Quelle der Länge nach ausgestreckt und ihm eine solche Richtung und Lage gegeben, daß ein Teil des Wassers der besagten Quelle dem­ selben in den Rachen floss. Der Hirsch soll, nachdem der Förster ihm schon den ersten Schnitt versetzt, plötzlich aufgesprungen, davon gejagt und ungeachtet aller Mühe, nie wieder gesehen worden sein. Man sagt: jenes Wasser, dem man am heutigen Tage noch eine heilende Kraft zuschreibt, soll den Hirschen von seinen empfangenen Wunden gänzlich geheilt haben.
Nach einigen Jahren wurde Franz Niewall von Reutenhau nach Brandeis in Böhmen versetzt, wo nach einiger Zeit der Aussatz um sich griff, so daß in und um Brandeis viele Menschen von demselben befallen wurden. Auch unsere Försterfamilie blieb davon nicht verschont. Obgleich ärztliche Hilfe angewendet wurde, so konnte dem Uebel nicht gesteuert werden. In einer Nacht träumte dem Förster: wenn er und seine Familie wieder gesund werden will, so müsse er auf das nordmährische Gebirge dorthin reisen, wo er ehemals nach dem Hirschen geschossen, und sich mit dem heiligen Quellwasser waschen. Er eröffnete diesen Traum frühmorgens seiner Frau, die aber nichts darauf hielt. Allein, der Traum wiederholte sich öfters, sodaß Franz Niewall des festen Glaubens wurde, nur dadurch wieder das schmerzliche Uebel los zu werden, wenn er dem Traume Folge leistete. Auf Zureden willigte auch die Frau des Försters ein und alle reisten auf die nordmährische Gebirgskoppe, auf die "Brünnlheide". Im Vertrauen auf Gottes Hilfe fing der Jäger an seinem eigenen Leibe die Waschungen mit dem frischen Quellwasser an und sein Vertrauen war nicht vergebens: mit dem Wasser streifte er den Aussatz von seinem Leibe gänzlich ab, sodaß er und seine Familie, die seinem Beispiele folgte, in Kürze von dem drückenden Uebel befreit war. Aus Dankbarkeit gegen Gott für diese erwiesene Wohltat ließ Franz Niewall zum Andenken auf Ahornholz das Bildnis des Erlösers mit den fünf Wunden anfertigen u. heftete dasselbe an eine von ihm aufgemauerte Säule an. Weil in späteren Jahren mehrere Menschen ihre Zuflucht in Bedrängnissen zu diesem Orte nehmen, so ließ der spätere Besitzer Fürst Liechtenstein, Herr und Besitzer von Groß-Ullersdorf, in dessen Domäne die "Brünnlheide" gelegen ist, daselbst eine Kapelle erbauen und darinnen das Bild aufstellen, so auch die Quelle fassen und einhausen. Als unter der Regierung Kaiser Josef II. die Klöster aufgehoben, Wallfahrtskirchen und Kapellen gesperrt wurden, brachten der in Winkelsdorf wohnende Waldheger Wolf, sein Sohn Franz und Waldheger Balthasar Wanke nachts das von Franz Niewall gestiftete Bild nach Winkelsdorf, wo es in der Wohnung Wolfs aufbewahrt, später aber in die Groß-Ullersdorfer Pfarrkirche übertragen wurde, wo es noch heute auf der linken Seite gegenüber dem Hochaltar aufgestellt ist. Um das Jahr 1800 kam ein gewisser Wenzel Löckel aus Winkelsdorf zu der bereits 15 Jahre wüststehenden Kapelle auf der "Brünnlheide" und faßte den Entschluß, im Falle er von der Obrigkeit die Bewilligung erhalte, diese dem gänzlichen Verfall nahe Kapelle auf eigene Kosten neu zu errichten. Durch die Vermittlung des Oberjägers Schramek erhielt er bald die nachgesuchte Erlaubnis. Löckel schritt sogleich zur Ausführung seines Planes und mit Hilfe des Häuslers und Schuhmachers Franz Rotter aus Reutenhau baute er die Kapelle von neuem auf und stellte das Bildnis der schmerzhaften Muttergottes (vom Maler Heisig aus Goldenstein gemalt) im Inneren des Kirchleins auf. Es mehrten sich von Jahr zu Jahr die Wallfahrer und Touristen derart, daß die Räume der Kapelle zu klein wurden. Auch war die aus Holz erbaute Kapelle durch den Witterungseinfluß vieler Jahre wieder schadhaft geworden und es stellte sich das Bedürfnis heraus, dieselbe abermals neu und in größerem Umfange zu errichten. Durch milde Opfergaben der Wallfahrer, welche der Kapellendiener Thaddeus Schmidt monatlich der Herrschaft ablieferte, konnte endlich im Jahre 1844 zum Neubau geschritten werden. Im Jahre 1850 war der Bau beendet und wurde am 22. Juli desselben Jahres vom Wiesenberger Pfarrer Thaddeus Thiel zu Ehren der schmerzhaften Mutter Gottes eingeweiht. Das jetzige Altarbild wurde vom damaligen Domänenbesitzer, Herrn Franz Klein-Wiesenberg, der Kapelle geschenkt und aufgestellt. Wieder wurde die Kapelle im Laufe der Jahre schadhaft, sie wurde nach dem ersten Weltkriege im Jahre 1924 abgetragen und im folgenden Jahre nach den Plänen des Architekten Karl Seidl aus Wien, dank der Opferwilligkeit des Fürsten Alois von und zu Liechtenstein-Groß-Ullersdorf, des Barons Franz Klein -Wiesenberg, der fürsterzbischöfl. Konventdirektion Breslau, des Hoch-und Deutschmeister-Ordens Karlsbrunn, des Sud.-Geb.-Vereins u. vieler kleinerer Spender aus Nordmähren und Schlesien aus Holz neu gebaut und vom Hochmeister des Hoch-  und Deutschmeister-Ordens, Bischof Klein, eingeweiht. An diesem Tage war eine unabsehbare Menschenmenge Zeuge des freudigen Ereignisses. Grund und Boden, worauf die Kapelle, der Kreuzweg sowie das Schutzhaus steht, wurden durch das Entgegenkommen des Prinzen von und zu Liechtenstein der Pfarre Wiesenberg verkauft. So ist nun der jeweilige Pfarrer von Wiesenberg Betreuer eines der schönsten Punkte unseres unvergeßlichen, herrlichen Altvatergebirges.


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